Mit Sack und Pack ging es weiter Richtung Süden, die warme Provence wartete. Über Gap ging es rasch nach Bedoin. Ein kleiner beschaulicher Ort mit einer großen Attraktion: Dem Mont Ventoux, einer der „Heiligen“ Tour de France-Berge.
Schon in ein paar Kilometern Entfernung stach mir die kahle, markante Bergkuppe und die Sendeantenne des dort gelegenen Observatoriums ins Auge und mir lief es eiskalt den Rücken runter. Wer erinnert sich nicht an das packende Duell zum Gipfel damals zwischen Armstrong und Pantani?
Jetzt konnte es mir gar nicht schnell genug, ich musste da rauf und zwar sofort!!!
In Bedoin hielt ich erstmal nach einem Campingplatz Ausschau. Beim ersten wollte man von mir eine FKK-Karte sehen. Klar die hatte ich grade nicht dabei. (vorsicht Ironie! 😉 ). FKK-Campingplatz, dass es so etwas gibt. Aber man lernt nie aus 😉
Beim nächsten Campingplatz war ich dann erfolgreich und richtete mich häuslich am mir zugewiesen Stellplatz ein, umgeben von Holländern, Briten und einigen Deutschen.
Schnell zog ich mir Radklamotten an, baute das Rad zusammen und machte mich auf den Weg Richtung Mont Ventoux. Die Frau am Empfang des Campingplatzes meinte noch, ob ich heute wirklich noch hoch möchte. Es war Nachmittag und es windete etwas.
„Na klar, ich bin gut trainiert“, gab ich zur Antwort. Später wusste ich dann, was sie meinte… 😉
In der warmen Sonne führte die Straße an Feldern vorbei in den Wald hinein, wo die Straße dann gleich mal ordentlich anstieg. Einstellige Prozente? Konnte ich mir für die nächsten Kilometern so gut wie abschreiben! Die Fahrbahn bis zum Gipfel war ordentlich von Radfans bemalt, das motivierte. 😉
Während ich so bergauf fuhr, verschwand der Gipfel des Ventoux, verdeckt durch hohe Bäume, komplett aus meinem Sichtfeld.
Der Duft der Kiefern am Straßenrand kroch in meine Nase. Herrlich, diesen Geruch verbinde ich seit Kindesbeinen an mit dieser Landschaft in Südfrankreich, wo ich mit meiner Familie schon Urlaub machte.
Bei Kilometer 11 tauchte dann der Mont Ventoux wieder langsam hinter den Bäumen auf. Aber bis oben waren es 21 Kilometer gespickt mit 1609 Höhenmetern. Also hatte ich noch etwas Arbeit vor mir. Am Chalet Reynard begann dann der Aufstieg durch die Gerölllandschaft. Bäume gab es hier so gut wie keine mehr, dafür hatte ich nun einen unsichtbaren Gegner: Den Mistral-Wind, der hier stark und unbarmherzig blies. Je weiter ich hochkurbelte, desto schlimmer wurde er. Wollte er mich etwa von meinem Vorhaben abhalten? Am Denkmal von Tom Simpson hielt ich kurz an und machte ein paar Fotos. Die Radflaschen, die andere Radfahrer am Denkmal ablegten, wurden mir vor die Füße geweht.
Ich setzte mich wieder auf’s Rad und fuhr weiter. Ich holte zweit Briten ein, die ich kurz vorher überholte. Gemeinsam fuhren wir ein paar Meter weiter, bis der Wind uns stark frontal entgegen blies. Wir mussten anhalten bzw. saßen geduckt auf dem Oberrohr. Das hier war kein Wind mehr, das war ein regelrechter Orkan!!! Und ich war Gott froh, dass ich meine Hochprofilräder nicht montiert hatte. Ich wäre mit Sicherheit vom Seitenwind erfasst worden und auf der Strasse gelegen.
Der Wind drehte nun immer wieder, einige Fahrer standen am Straßenrand. Ich bekam die volle Ladung Staub ins Gesicht geweht, klasse. Der Vorpass des Ventoux heißt übrigens „Col des Tempêtes“, also „Pass der Stürme“. Der Name leuchtet regelrecht ein…
Die letzten Meter zur Passhöhe lief ich dann zu Fuss, an ein Weiterfahren ohne Sturz war nicht mehr zu denken. Oben auf der Passhöhe standen bereits einige Fahrer verstreut herum. Mittendrin: Ein Hochzeitspaar, das sich in einer alten Ente auf den Berg begeben hat.
Ich bat die beiden um ein Foto mit mir, was die beiden sofort begeistert erfüllten. Ich klammerte mich an mein Rad, um sicheren Stand zu haben und nicht fortgeweht zu werden. Ich setzte meine kleine Fotosession fort, indem ich die endlosen Weiten der Provence knipste. Einfach ein atemberaubender Ausblick, wie das Bergmassiv in Richtung Côte d’Azur im Süden langsam abflachte.
Langsam wurde es hier oben auf 1909m über N.N. kalt- kein Vergleich zu den warmen Temperaturen im Tal!
Also sattelte ich das Rad, zog die Windweste über und fuhr in die Abfahrt. Wieder erfassten mich die Winde und ich drosselte das Tempo, was hier oben bitter nötig war. Mit jedem Meter nach unten wurde es dann langsam wärmer. Im Wald nach dem Chalet Reynard auf 1420 m Höhe stockte mir dann kurz der Atem: Schafe überquerten die Fahrbahn. Ich kam noch rechtzeitig zum Stand, aber das Auto hinter mir mähte die Tierchen fast um. Gott sei dank nichts passiert. Nun war es nicht mehr weit bis Bedoin, wo ich abends noch einen leckeren Italiener aufsuchte. Meine favorisierten Restaurants waren leider alle bis auf den letzten Platz belegt. Mit einem netten Pärchen saß ich beim Essen und plauderte, bis ich dann zu später Stunde ins Zelt kroch.
Das war meine Woche in Frankreich, ein Traum ging in Erfüllung. Der Urlaub war wunderschön, einfach stressfrei und erholsam. Groß geplant hatte ich bis auf die Route nichts, sondern wollte alles auf mich zukommen lassen. Ich habe hier viele nette und freundliche Leute getroffen, mich mit ihnen unterhalten und so die Region näher kennengelernt.
Besonders sympathisch sind mir die Franzosen, weil sie radbegeistert sind. Auf deutschen Straßen wird beim Überholen von Radfahrern oft sofort hysterisch gehupt. In Frankreich wird man höchstens angefeuert. 😉
Nun habe ich auf meiner Tour mit Galibier, Alpe d’Huez und Mont Ventoux drei „heilige“ Tour de France-Berge befahren. Was fehlt ist der Tourmalet. Und der liegt in den Pyrenäen. Damit ist ist klar, wo es in den nächsten Jahren hingeht…
Vive la France!